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f+h fördern und heben 4/2021

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PRODUKTE UND SYSTEME

PRODUKTE UND SYSTEME TITELSTORY STROMSCHIENE ODER ENERGIEKETTE? Für Maschinenbauer ist es ein Kinderspiel Anlagen zu elektrifizieren. Komplexer wird es, wenn Maschinenteile bedingt durch ihre Funktion über längere Distanzen dynamisch arbeiten und dabei mit Elektrizität versorgt werden müssen. Stromschienen geraten bei derartigen Anwendungen häufig an ihre Grenzen. Schnell montierbare Energiekettensysteme aus Hochleistungskunststoffen, zum Beispiel die Autoglide 5 von Igus, können eine Alternative sein. Eine der bewährtesten Energiezuführungen sind Stromschienen. Sie sind fast so alt wie die Elektrizität selbst. Gleitet ein Stromabnehmer die elektrifizierte Schiene entlang, gelangt der Strom zum Abnehmer. Ein simples Prinzip, das in zahlreichen intralogistischen Anwendungen zum Einsatz kommt, etwa bei Hallenkranen oder Krananlagen im Freilager, Elektrohängebahnen, Regalbediengeräten oder Querverschiebewagen. Die millionenfache Verwendung von Stromschienen hat Gründe. Die Investitionskosten sind gering und die Montage ist einfach und zeitsparend. Zudem sind die Systeme kompakt und raumsparend und punkten somit vor allem bei Anlagen wo jeder Zentimeter freier Platz wertvoll ist, z. B. in einem Hochregal. Jedoch ist kein System, das die Energieversorgung in bewegten Anlagen übernimmt, perfekt – und demzufolge haben auch Stromschienen Nachteile. So können Stromschienen störanfällig sein. Abrieb beim Palettenumschlag kann sich auf den offenen Litzen absetzen und die Energieübertragung zu einem Regalbediengerät unterbrechen. Das impliziert schon den weiteren 36 f+h 2021/04 www.foerdern-und-heben.de

TITELSTORY PRODUKTE UND SYSTEME Nachteil. Stromschienen sind nicht wartungsfrei. Neben der regelmäßigen Reinigung der stromführenden Schienen gehören zu den Verschleißteilen die Kohlen der Stromabnehmer. Sie übertragen die elektrische Energie vom stromführenden Leiter auf die elektrisch betriebene Anlage. Der Verschleiß variiert – je nachdem, wie viel Strom fließt und wie schnell sich das Regalbediengerät oder der Querverschiebewagen bewegt. In jedem Fall kommt es während des Austauschs der Kohlen zum ungewollten Stillstand der Anlage. Darüber hinaus erzeugen die Kohlen der Stromabnehmer Feinstaub. Somit sind Stromschienen für strenge Hygienebereiche und Reinraumumgebungen ungeeignet. Dies gilt auch für Umgebungen, in denen explosive und leicht brennbare Produkte wie Alkohol oder chemische Artikel lagern. In solchen Bereichen sind offene elektrische Kontakte schlichtweg verboten, da sie „brandgefährlich“ sind. Stromschienen sind zudem i. d. R. auf die Übertragung von elektrischer Energie, also Strom beschränkt. Doch was ist im Zeitalter von Industrie 4.0 mit Leitungen für Ethernet, Sensoren und Kamerasysteme? Viele Anwender von Stromschienen nutzen für die Datenübertragung separate Systeme, z. B. Funk (WLAN) oder optische Datenübertragung. DIE ALTERNATIVE ZUR STROMSCHIENE: ENERGIEKETTEN Stromschienen sind nicht die einzige Möglichkeit, um bewegte Maschinen und Anlagen mit Energie zu versorgen. Etabliert haben sich in der Industrie auch Energieketten aus Hochleistungskunststoffen – auch Energieführungsketten oder Schleppketten genannt. Sie bestehen aus Seitenlaschen, die an der Ober- und Unterseite durch Stege verbunden sind und eine sichere Führung von elektrischen Leitungen und Schläuchen für andere Medien ermöglichen. Zum Einsatz kommen Energieketten mittlerweile in nahezu allen Branchen, überall dort, wo auch Stromschienen zu finden sind. Zum Portfolio der Hersteller wie Igus zählen kleinste Energieführungsketten, mit einer Innenhöhe von 5 mm bis hin zu „Giganten“ mit einer Innenhöhe von 350 mm. Energieketten lassen sich mittlerweile für Verfahrwege von mehr als 1 000 m einsetzen. Anders als Stromschienen sind Energieführungsketten selbst in rauen Umgebungen nahezu wartungsfrei. Energieketten, die aus Hochleistungskunststoffen bestehen, können UV-Licht, aggressiven Chemikalien, Salzwasser und kurzzeitige Temperaturen zwischen –40 und +130 °C standhalten. 01 Maschinen und Anlagen der Intralogistik sind prädestiniert für die Anwendung von Energieketten Die Systeme sind oftmals jahrelang ohne Probleme im Einsatz. Sie erfordern i. d. R. nur eine grundlegende visuelle Inspektion, um sicherzustellen, dass sie in betriebsfähigem Zustand sind. Energieketten aus Kunststoff lassen sich mit Systemen für die vorausschauende Wartung und/oder Zustandsüberwachung ausstatten oder nachrüsten. Defekte werden erkannt, bevor sie entstehen, Stillstandzeiten oder ungeplante Ausfälle werden vermieden, Reparaturzeiten durch den frühzeitigen Eingriff verkürzt, die Maschinenverfügbarkeit steigt und die Wartungskosten sinken. Wartungsrundgänge auf Verdacht entfallen. Somit erfüllen mit Energieketten ausgestattete Maschinen und Anlagen Anforderungen von Industrie 4.0. EIN SYSTEM FÜR ALLE Mithilfe eines Energiekettensystems lassen sich nicht nur Motorleitungen, sondern auch Steuerleitungen, Bus- sowie LWL-Kabel und Schläuche für Luft, Wasser, Hydraulik und andere Medien führen. Im Vergleich zur Stromschiene, wo alternative Datenübertragungssysteme genutzt werden müssen, z. B. Funk (WLAN) oder Optik, lässt sich in einer Energiekette eine feste Datenleitung (Bus- oder Lichtwellenleitung) verwenden. Störungen durch Interferenzen oder wie bei der Optik durch Verunreinigungen oder witterungsbedingte Einflüsse sind ausgeschlossen. Darüber hinaus sind die Systeme abriebarm und erzeugen demzufolge kaum Feinstaub. Somit sind sie prädestiniert für Anwendungen in der Lebensmittel- und Pharmazieindustrie. Energieketten eignen sich ebenso für Ex-Zonen, wenn sie aus einem leitfähigen ESD-Material gefertigt sind. 02 Energieketten führen Energie, Daten, Luft und Flüssigkeiten in einem System www.foerdern-und-heben.de f+h 2021/04 37