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f+h fördern und heben 5/2020

f+h fördern und heben 5/2020

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG SERIE MATERIALFLUSS FÜR LOSGRÖSSE 1: STRUKTURWANDEL IN DER PRODUKTIONSLOGISTIK – TEIL II Der Wunsch nach möglichst individuellen Produkten bleibt nicht ohne Folgen auf den produktionsintegrierten Materialfluss. Die Abteilungen Logistik sowie Maschinenentwicklung und Materialflussautomatisierung am Institut für Fördertechnik und Logistik an der Universität Stuttgart befassen sich mit den dahinterstehenden Aufgabenstellungen und geben mit der Entwicklung eines neuen Logistikkonzepts für die automobile Endmontage darauf eine Antwort. In Teil I der Serie (siehe f+h 4/2020) wurde auf das dem Konzept zugrundeliegende flexible Schachbrettlayout eingegangen. Der vorliegende zweite und abschließende Teil beschreibt mit dem neu entwickelten Teilebereitstellungssystem – dem „Mobilen Supermarkt“ – die Hardware hinter dem Konzept. 6 f+h 2020/05 www.foerdern-und-heben.de

SERIE FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG fällt. In einem getakteten Produktionssystem lässt sich der Fertigungsprozess, bedingt durch die fördertechnischen Gegebenheiten, nicht für den Zeitraum der Mängelbeseitigung unterbrechen. Vielmehr besteht der Zwang, den Mangel innerhalb der Taktzeit oder andernfalls im Zuge von Nacharbeit zu beheben. Hingegen bestehen in einer wandelbaren Produktion nach dem Modell des IFT keine physischen Abhängigkeiten zwischen den Werkstückträgern. Im Bedarfsfall lässt sich das Werkstück aus dem Fertigungsprozess ausschleusen. Ein derartiger Ausschleusvorgang verursacht jedoch eine aktive Änderung der Durchlaufsequenz – und damit eine Unterbrechung der Perlenkette. Während das Fließbandprinzip ein Unterbrechen und Zurückstellen eines bereits in der Fertigung befindlichen Werkstücks nicht vorsieht und sich dementsprechend prozessbedingt auch nicht ohne weiteres bewerkstelligen lässt, soll eine flexible und wandelbare Produktionslogistik hierzu befähigen. Vor diesem Hintergrund ist der Echtzeitbedarf eines Werkstücks nicht nur durch Zeitpunkte geprägt, in denen ein Bedarf entsteht und abgerufen wird, sondern vielmehr auch durch Art und Ausprägung sowie einer zugeordneten Positionsangabe. Der Echtzeitbedarf ist somit eine werkstückspezifische, individuelle und fluktuierende Größe, sodass zur Deckung dieses Bedarfs Materialflusssysteme zum Einsatz kommen müssen, die ein hohes Reaktionsvermögen aufweisen. Die klassische Supply Chain wird hierfür aufgebrochen und durch ein Netz intelligenter Materialbereitstellungssysteme abgelöst, sodass die Zuführung von Baugruppen, Einzelteilen, Kits und Montagematerial bedarfsgerecht für jedes einzelne Werkstück ortsunabhängig nach dem in Grafik 04 gezeigten Prinzip vonstattengeht. In Abhängigkeit der Be- 04 Echtzeitbedarfsgesteuerte Materialzuführung zu einer mobilen Montageinsel Regalmodule Einzel-FTF Zuliefer/ Schlepper-FTF Warenkorbgestell Mini-Regalbediengerät Mobile Montageinsel Zuliefer/ Schlepper-FTF In einer klassischen Fließbandfertigung ist die Konfiguration des Pkw zwar die Grundlage für die globale Materialbedarfsplanung, letztendlich findet aber die Bereitstellung von Bauteilen und Montagematerial ausgerichtet auf die sich an der Bearbeitungsstation einstellende Durchlaufsequenz der Werkstücke statt und ist abgestimmt auf die an der Station zu vollziehenden Montageumfänge. Infolge der Festlegung des Produktionsprogramms und der fixen Taktung und Sequenzierung lässt sich der konkrete Bedarfszeitpunkt an einer Station ab dem Zeitpunkt, in dem ein Werkstück einem konkreten Kundenauftrag zugeordnet wird – sekundengenau beziffert –, vorausplanen. Daher geschieht in letzter Konsequenz dessen der Materialfluss und die Bereitstellung spezifisch für den im Voraus geplanten Bedarf an der jeweiligen Station. In einer flexiblen und wandelbaren Produktion hingegen besteht keine strikte Zeit- und Ortsbindung von Montageumfängen, sodass statt einer stations- vielmehr eine objektspezifische Belieferung stattzufinden hat, die sich am Echtzeitbedarf des Werkstücks orientiert. Echtzeitbedarf deswegen, weil voneinander unabhängige Montageträger, wie die in Teil I (s. f+h 4/2020) beschriebene Mobile Montageinsel, einen Durchlauf durch die Fertigung ermöglichen, der sich an den produktionstechnischen Erfordernissen orientiert, welche sich kurzfristig, auch während sich das Werkstück in der Produktion befindet, ändern können. Dies kann u. a. durch Ereignisse, z. B. Montagefehler oder der Detektion schadhafter Bauteile am Verbauort, eintreten. Der Echtzeitbedarf des konkreten Werkstücks könnte in dem Fall dergestalt sein, dass ein Ersatzteil benötigt wird und/oder zumindest ein über die Taktdauer hinausgehender Montagezeitbedarf anwww.foerdern-und-heben.de f+h 2020/05 7