Aufrufe
vor 6 Jahren

f+h fördern und heben 6/2017

f+h fördern und heben 6/2017

LOGISTIK-MANAGEMENT

LOGISTIK-MANAGEMENT Integration digitaler Geschäftsprozesse So lassen sich Unternehmen erfolgreich zusammenführen Der Logistiksektor erlebt zurzeit eine Welle von Geschäftsübernahmen. Dabei gibt es zahlreiche Herausforderungen, vor allem bei der Zusammenführung der digitalen Geschäftsprozesse. Doch mit einigen Tricks lassen sich digitalisierte Wertschöpfungsketten erfolgreich integrieren. Margendruck, Marktwachstum, Sicherung von Zukunftsmärkten: Es gibt viele Gründe für Akquisitionen in der Logistikbranche. Eine wichtige Ursache für die aktuelle Welle ist die umfassende Digitalisierung, denn diese erfordert teils hohe Investitionen in neue Infrastrukturen. Gleichzeitig eröffnet sie neue Vertriebsund Vermarktungsmöglichkeiten sowie effizientere Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten. Viele große Unternehmen möchten oder können diese Aufgabe aber nicht aus eigener Kraft meistern und investieren in Logistik-Start-ups oder in die Übernahme kleinerer Firmen, die bereits diese Transformation bewältigt haben. Entsprechend haben die Marktforscher von KPMG festgestellt, dass 2015 ein Rekordjahr für den Transport- und Logistiksektor in Bezug auf Fusionen und Akquisitionen sowie Investitionen in Start-ups war. So stieg der Wert von Merger & Acqusitions im Vergleich zum Vorjahr weltweit von 62 auf 74 Milliarden US-Dollar, dabei waren weitere Transaktionen im Wert von 100 Milliarden Dollar angekündigt. Obwohl sich 2016 nach einer Studie von pwc der Markt etwas beruhigte, ist auch 2017 mit hohen Investitionsaktivitäten zu rechnen. Nach der Übernahme Doch egal ob sich ein Konzern mit neuen Angeboten diversifizieren und Nischenmärkte besetzen wollte oder eine kleine Firma durch seine veralteten Strukturen nicht mehr wettbewerbsfähig und ein einfacher Übernahmekandidat war: Die Post-Merger- Integration ist inzwischen zu einer der größten Herausforderungen in der Branche geworden. Denn häufig müssen Unternehmenskulturen, Geschäftsprozesse oder Infrastrukturen vereint werden, die eigentlich nicht zusammengehören. Ein Beispiel bildet die Integration einer reinen Spedition, die nur Güter von A nach B transportiert, mit einem echten Supply- 5 Tipps für akquirierende Unternehmen Chain-Logistiker. Klassische Kundenarchive sind dabei mit modernen CRM-Systemen abzugleichen. Festgelegte Routen müssen mit dynamischen Navigations- und Terminlösungen zusammengebracht werden. Trotz dieser und weiterer Unterschiede der beiden Ausgangsfirmen hat das akquirierende Unternehmen sicherzustellen, dass die Integration so schnell und einfach wie möglich vonstattengeht. Und dabei findet nahezu zeitgleich mit der Digitalisierung ein technologischer Rundumschlag im ganzen Sektor statt. „Doch mit einer guten Vorbereitung lässt sich diese Herkulesaufgabe bewältigen“, so Stefan Köhler, Sales Director bei Data Interchange, Hamburg. Das ist zu beachten Die erste Frage lautet, um welche Art von Merger oder Akquisition es sich handelt. Übernimmt ein großes Unternehmen ein kleines, das weitgehend ältere Systeme nutzt, werden i. d. R. die Strukturen der kleinen Firma aufgelöst und in den Konzern eingegliedert. Handelt es sich beim Über- 1) Nutzen Sie in der Übergangsphase alle bisherigen Prozesse parallel 2) Führen Sie von Anfang an ein Change Management für alle Mitarbeiter durch 3) Entwickeln Sie die neue Leitkultur und künftige Prozesse ergebnisoffen 4) Binden Sie bei schwierigen Entscheidungen externe Berater ein 5) Digitalisieren Sie die Wertschöpfungsketten mit EDI Autor: xxx 40 f+h 6/2017

LOGISTIK-MANAGEMENT nahmekandidaten um ein Unternehmen mit modernen Strukturen oder ein Start-up, laufen deren Prozesse vielfach unverändert weiter – als Tochterunternehmen oder eigene Abteilung. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Integration verschiedener Systeme. Diese findet nur zwischen zwei etwa gleich großen Firmen statt. Bei den Geschäftsprozessen und technischen Systemen sollte dann im ersten Schritt eine Übergangsphase definiert werden, in der beide Welten parallel weiterlaufen. In dieser Zeit sind die jeweiligen Vorund Nachteile der Strukturen zu analysieren und wie sich diese beim fusionierten Gesamtunternehmen auswirken. Köhler: „Denn oft entpuppt sich ein Prozess, der sich hervorragend für eines der beiden Ausgangsunternehmen eignet, als zu klein dimensioniert oder unflexibel für die Herausforderungen nach dem Merger.“ Während sich bei ungleichen Partnern i. Allg. der größere aufgrund seiner politischen Macht durchsetzt, kann sich bei gleichwertigen Partnern der Entscheidungsprozess aufgrund langer Diskussionen hinziehen oder zu keinem Ergebnis führen. Daher bietet es sich an, frühzeitig einen externen Berater hinzuzuziehen, der mit neutralem Blick die Ausgangssysteme bewertet und Empfehlungen ausspricht. Dies kann das Durchsetzen einer der beiden Ausganglösungen, das parallele Weiterlaufen beider Systeme oder auch die Nutzung eines anderen Systems sein. Letzteres erfordert zwar meistens einen hohen Investitions- und Migrationsaufwand, kann sich aber aufgrund höherer Effizienz, Flexibilität und Zukunftsfähigkeit durchaus lohnen. Eine weitere Variante bildet die Auslagerung an einen Dienstleister. Dies bietet sich vor allem bei Prozessen an, die nicht zum Kerngeschäft gehören. So stehen für IT-basierte Infrastrukturen und Anwendungen zahlreiche Anbieter bereit, ob als Cloud- oder Hosting-Provider oder für den elektronischen Datenaustausch (EDI). Vor allem EDI kann bei richtiger Implementierung die Digitalisierung, Integration und Internationalisierung der Wertschöpfungsketten erheblich vereinfachen. Denn der elektronische Datenaustausch schafft nahtlose, integrative Prozesse, die aufgrund der weitgehenden Automatisierung schnell und fehlerfrei ablaufen. Dabei lassen sich alle bisher papiergestützten Prozesse in digitale Prozesse abbilden und ohne menschliche Interaktion durchführen. Damit vermeiden Unternehmen sowohl Betrug und Manipulationen als auch unabsichtlich verlorene Belege oder Leichtsinnsfehler. Zudem profitieren Übernahmekandidaten mit einer Steigerung ihres Marktwerts von EDI. Denn je mehr integrierte, digitale Prozesse sie nutzen, desto attraktiver werden sie für finanzkräftige Unternehmen und desto mehr Mitspracherecht erhalten sie bei Fusionen. Andererseits können sie damit aber auch feindliche Übernahmeversuche besser abwehren und sich für einen anderen, passenderen Investor entscheiden. Gleichzeitig erleichtert EDI die Integration von technischen Systemen, da der Datenaustausch automatisiert wird. Aber auch, wenn zwei Systeme parallel weiterlaufen sollen, vereinfacht dies EDI erheblich, da nach der Entwicklung der Schnittstellen bei der Einführung keinerlei Aufwand mehr für den laufenden Betrieb nötig ist. Problemloser Übergang Vor allem in der Logistikbranche ist jedoch ein problemloser Übergang zwischen den alten und neuen Systemen wichtig. Denn aufgrund des starken Wettbewerbsdrucks müssen die Unternehmen ihre Kunden jederzeit zufriedenstellen. Gibt es bei der Fusion technische Probleme oder unzufriedene Mitarbeiter aufgrund einer ungeliebten Leitkultur, werden Aufträge möglicherweise nicht oder nur unzureichend erfüllt. Dann verliert das Unternehmen Kunden und seine Marktstellung. Daher hat ein umfassendes Change Management dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter von Anfang an Bei richtiger Implementierung kann der elektronische Datenaustausch die Digitalisierung, Integration und Internationalisierung der Wertschöpfungsketten erheblich vereinfachen Stefan Köhler, Sales Director bei Data Interchange, Hamburg in den Fusionsprozess eingebunden sind und jederzeit transparent über die Vorgänge informiert sowie zu ihren Wünschen und Erwartungen befragt werden. Nur dann empfinden sie Veränderungen nicht als Bedrohung. Aus technischer Sicht müssen die Ausgangssysteme so lange parallel weiterlaufen, bis die neue Gesamtlösung installiert und ausreichend getestet ist. Dabei sind ein ausführlicher Proof of Concept sowie echte Belastungstests unverzichtbar. Anschließend werden die bisherigen Anwendungen und Daten auf die neue Plattform übertragen und die Anwender dafür freigeschaltet. „Die Altsysteme sollten aber für den Notfall weiterhin zur Verfügung stehen. Erst wenn sich das neue System bewährt hat, können sie abgeschaltet werden“ so der Rat von Köhler. Im weiteren Verlauf sollte die neue Plattform nicht nur flexibel erweiterbar und skalierbar sein, sondern auch möglichst viele Datenformate bewältigen können. Denn falls Altsysteme nicht mehr zur Verfügung stehen, wie im TK-Bereich z. B. ISDN, bekommt das Unternehmen Probleme. Digitalisierte Prozesse lassen sich durch Schnittstellen-Entwicklungen jedoch schnell anpassen, sodass sie problemlos weiterlaufen können. Vor allem in der Logistikbranche ist dies für die weitere Wettbewerbsfähigkeit von großer Bedeutung. Aufmacherfoto: Fotolia Personenfoto: Data Interchange www.datainterchange.com f+h 6/2017 41