PERSPEKTIVEN „PICK BY VISION“: KOMMISSIONIEREN AUF EINEN BLICK In vielen Lagern wird oftmals noch per Scanner oder Papier gearbeitet. Doch auch in der Intralogistik schreitet die Digitalisierung mit großen Schritten voran und die Branche arbeitet stetig an effektiveren Lösungen: So sollen mithilfe von Datenbrillen Mitarbeiter entlastet und die Kommissionierleistung gesteigert werden. Von einer Standardlösung ist die Technologie aber noch weit entfernt. Lesen Sie hier eine Einschätzung von Anika Madaus, Senior Consultant Business Unit EWM Lead bei der Abat AG in Bremen. Die Herausforderungen in Lagern sind vielfältig: Auftragsmengen schwanken, Lagerflächen wachsen und vielfach werden neue Sortimente eingeführt. Gleichzeitig muss die Kommissionierung fehlerfrei und pünktlich stattfinden – und das zu möglichst geringen Kosten. Um diesen Prozess problemlos zu bewältigen, nutzen Betreiber verschiedene Verfahren wie Signallampen („Pick by Light“), Barcodescanner („Pick by Scan“) oder Sprachkommissionierung („Pick by Voice“). Die sprachgestützte Kommissioniertechnik wird heute in vielen Lagern eingesetzt. Das Verfahren hat sich bewährt, denn das Verfahren verbessert und beschleunigt das Kommissionieren. Im Vergleich zum Kommissionieren mit Papierlisten oder Scannern kann 36 f+h 2018/01-02 www.foerdern-und-heben.de
PERSPEKTIVEN sich der Lagermitarbeiter frei bewegen, da er kein Klemmbrett oder Scanner halten muss. Das Headset ist ergonomisch geformt und lässt sich bequem tragen und behindert den Anwender nicht bei der Arbeit. Die Sprachkommissionierung hat jedoch auch ihre Grenzen. So kann der Mitarbeiter etwa nicht alle Artikel, die er entnehmen muss, gleichzeitig überblicken. Er muss sich organisieren und die Waren in sinnvoller Reihenfolge auf den Paletten ablegen, d. h. schwere Artikel kommen zuerst und müssen nach unten gestapelt werden. Doch bildet das System die Packstrukturen für den Kommissionierer richtig ab, steigt die Effizienz. „PICK BY VISION“ UND AUGMENTED REALITY Eine weitere Kommissioniermethode ist „Pick by Vision“, in deren Lösungen die Lagerlogistik-Branche große Hoffnungen setzt. Mit entsprechenden bildgebenden Lösungen lassen sich Informationen und Lageraufträge in Echtzeit aus Lagerverwaltungssystemen ermitteln und auf der Datenbrille anzeigen. So hat der Mitarbeiter die Aufträge direkt in seinem Sichtfeld und alle relevanten Daten auf einen Blick. Die Datenbrille kann aber noch mehr: Sie hebt Lagerfächer optisch hervor und kann Bilder vom Artikel einblenden. Kommissionierer können die Ware dadurch schneller verorten, erfassen und effizienter weiterbearbeiten. Auch einfache Befehle wie „weiter“, „zurück“ oder „enter“ lassen sich per Sprachsteuerung an die Datenbrille übermitteln. Noch ist diese Funktion nicht so ausgereift wie bei einer reinen „Pick by Voice“-Lösung. Bisher dienen Datenbrillen nur als Scanner und Wiedergabegerät; doch die Funktionalitäten sollen erweitert werden: Fehlen etwa Informationen zu Waren und Aufträgen beim Wareneingang, so sollen diese via Datenbrille direkt angefordert werden können. Der Mitarbeiter erteilt dazu der Brille per Spracheingabe einen Befehl – und schon liegen die Informationen vor. Noch einen Schritt weiter gehen Augmented-Reality-Lösungen. Sie verbinden digitale Inhalte und Bilder mit der wahrgenommenen Umgebung. Der Träger der Datenbrille sieht die Objekte vor sich, als wären sie tatsächlich im physischen Raum. Das würde in der Lagerlogistik praktische Vorteile bieten. Ein Beispiel: Der Mitarbeiter könnte eine virtuelle Palette im dreidimensionalen Raum drehen, um besser zu definieren, wie sich z. B. Pakete sinnvoll auf dem Ladungsträger platzieren lassen. Die Logistik-Branche verspricht sich viel von Datenbrillen, denn die Technologie soll die anstehenden Herausforderungen in der Lagerlogistik lösen. Aber die Technik muss auch problemlos funktionieren. Ist dies der Fall, wären die Vorteile immens: Die Datenbrille führt den Kommissionierer, gibt Packstrukturen und Wege vor und warnt vor auftretenden Engpässen. Doch aktuell ist „Pick by Vision“ aufgrund von technologischen Stolpersteinen nur eingeschränkt einsatzbereit. Die Schnelligkeit des Scanvorgangs ist noch nicht optimal, die Hardware nicht robust genug, die Laufzeit der Akkus begrenzt und viele Lager verfügen über keine Inhouse-Ortung, die für die Verwendung der Brille benötigt wird. Oftmals sind instabile WLAN-Verbindungen der Grund für Ausfälle des Systems. Um „Pick by Vision“ also vollumfänglich nutzen zu können, bedarf es besserer Akkus, ausreichend großer und ergonomischer Displays sowie stabiler Netzwerkverbindungen. ANIKA MADAUS, SENIOR CONSULTANT BUSINESS UNIT EWM LEAD DER ABAT AG Die Logistik-Branche verspricht sich viel von Datenbrillen. Aber: Die Technik muss auch problemlos funktionieren „PICK BY VISION“ EFFIZIENT NUTZEN Durch die Kombination mit anderen technischen Lösungen, können Lagerbetreiber bereits heute die Vorteile von Datenbrillen nutzen. Beim Scan mit einer Datenbrille werden Barcodes aktuell versehentlich gescannt, sobald sie ins Sichtfeld des Lageristen kommen. Dieses Problem lässt sich z. B. durch eine Kombination mit einer Smart Watch beheben: Der Mitarbeiter gibt die Stückzahl, die er entnehmen möchte, in die Uhr ein und diese erteilt anschließend der Brille den Befehl zum Scan. So werden nur jene Teile erfasst, die benötigt werden. Eine weitere Herausforderung ist die Position des Barcodes: Sind sie an Stellen angebracht, die für das Lagerpersonal schwer zugänglich sind, kann der Mitarbeiter diesen mit der Brille nicht scannen. Häufig ist nicht genug Platz vorhanden, um den Kopf nah genug an den Barcode zu positionieren. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Datenbrille mit einem Handscanner zu kombinieren. So gelangt der Mitarbeiter auch an schwer zugängliche Stellen und bekommt gleichzeitig wichtige Informationen wie die Materialnummer in seinem Sichtfeld angezeigt. Im Zuge der Digitalisierung wird die Weiterentwicklung der Datenbrillen stetig vorangetrieben. Über kurz oder lang werden etablierte Kommissioniermethoden von der Bildkommissionierung abgelöst. Die Weichen sind gestellt, jetzt muss die Hardware nachziehen. Fotos: Abat www.abat.de www.foerdern-und-heben.de f+h 2018/01-02 37
Laden...
Laden...
Laden...