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f+h fördern und heben 10/2019

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f+h fördern und heben 10/2019

F+H EXPERTENGESPRÄCH 01

F+H EXPERTENGESPRÄCH 01 Welche Einflüsse bewegen die Stadt? Konsumverhalten • häufiger, kleinteiliger, individueller Verkehr • hoher Verkehrs- und Parkdruck E-Commerce • extremes Wachstum Umwelt / Emissionen • hohe Emissions / Feinstaubwerte Urbanisierung • hoher Flächendruck Regularien • Dieselfahrverbote Immobilien / Flächen • hoher Wohndruck, Nutzungskonkurrenzen Power of Places • attraktive Standorte, innovative Milieus ... sen ist der Bürger, der die Stadt als lebenswertes Umfeld genießen möchte, der in einem attraktiven Quartier zu Hause sein will, dort aber auch finanzierbaren Wohnraum vorfinden möchte. Hinzu kommen die Belange der Gewerbetreibenden, die eine angemessene Infrastruktur einfordern. Und zwischen diesen Akteuren steht die Stadtverwaltung, die auf die teils divergierenden Fragestellungen die richtigen Antworten finden muss. Lassen Sie mich dies an Hand des Verkehrs erläutern. Etwa 90 Prozent der gefahrenen Kilometer in den mittelgroßen bis großen Städten Deutschlands stammen aus dem Individualverkehr. Die restlichen zehn Prozent sind auf Nutzfahrzeuge und auf den ÖPNV zurückzuführen. Von den Schadstoffemissionen her betrachtet, ergibt sich ein anderes Bild. Zirka 32 Prozent der NO X -Emissionen verursacht der Wirtschaftsverkehr, etwa 57 Prozent der Individualverkehr. Somit konzentrieren sich die Städte in Sachen Reduzierung der Schadstoffemissionen zurzeit zumeist auf den Warenverkehr. Dies tun die politischen Entscheidungsträger, weil sich über den 32-Prozent-Hebel einiges erreichen lässt, bevor man dem Bürger und damit dem potenziellen Wähler mit Fahrverboten droht. Somit unterliegen die Städte einem Handlungsbedarf, allerdings herrscht bei weitem kein Leidensdruck vor. Wie präsentieren sich die aktuelle logistische Situation und die Zustellung auf der letzten Meile in den Städten? Christian Jacobi: Der E-Commerce wächst seit Jahren rasant. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 3,5 Milliarden Paketsendungen zugestellt. Für 2019 sagen die Prognosen einen Zuwachs von 5,2 Prozent voraus. Dies führt zu zusätzlichem Verkehr in den Städten. Hinzu kommen die Verkehre aus der Filialbelieferung, das heißt auch der Lkw, der den Supermarkt mit frischen Waren beliefert, gehört dazu. Zusätzliche Verkehre resultieren darüber hinaus aus den Überlegungen der stationären Einzelhändler und der Einzelhandelsfilialen, die sich über neue Geschäftsmodelle Gedanken machen, wie sie ihren Kunden noch mehr Komfort beim Einkaufen anbieten können. Kai-Oliver Schocke: Die KEP-Dienstleister werden in der öffentlichen Diskussion an den Pranger gestellt, weil ihre Fahrzeuge mit eingeschalteten Warnblicklichtern auf der Straße stehend in den Städten auffallen. Dabei ist der Fuhrpark von den großen Logistikern schon relativ grün. Weniger auffällig sind die Fahrzeuge von Handwerkern oder anderen Dienstleistern. Frappierend ist, dass diese im Vergleich viel häufiger mit alten Fahrzeugen unterwegs sind. Diese Unternehmer respektive deren Interessenvertreter GEFORDERT SIND ZUKUNFTSFÄHIGE LÖSUNGEN FÜR DIE STÄDTISCHE LOGISTIK UND MOBILITÄT UND DEREN MUTIGE UND SCHNELLE UMSETZUNG Dr.-Ing. Christian Jacobi 10 f+h 2019/10 www.foerdern-und-heben.de

müssen für die Themen urbane Logistik ebenfalls sensibilisiert werden. Werner Gliem: Ich möchte noch einen anderen Aspekt in unsere Diskussion einbringen. Wir alle wünschen, dass die Innenstädte nicht veröden und die ansässigen Geschäfte überleben können. Damit die Geschäfte für die Kunden attraktiv bleiben, sind sie darauf angewiesen, dass die tagsüber abverkauften Artikel nachbestellt und rechtzeitig vor Ladenöffnung am nächsten Morgen wieder verfügbar sind. Ich kann mich an die Diskussion mit einer Umweltdezernentin einer Stadt aus dem Rhein-Main-Gebiet erinnern, die den Standpunkt vertrat, dass eine Anlieferung von Paketen in Fußgängerzonen nur bis zehn Uhr möglich sei. Dies stößt bei den Ladenbesitzern auf Unverständnis, weil die Kapazitäten bei den KEP-Dienstleistern nicht gegeben sind, den Zeitrahmen einzuhalten. Meine Anregung: Vielleicht könnte man über Depots in Stadtnähe nachdenken, um gebündelt für alle in der Fußgängerzone liegenden Geschäfte die Waren rechtzeitig auszuliefern. Christian Jacobi: Genau derartige Ansätze müssen wir verfolgen. In Intralogistikprojekten erarbeiten wir für unsere Kunden, ganz nach deren spezifischen Anforderungen, eine individuelle und ganzheitliche Lösung. Im städtischen Ökosystem ist es jedoch so, dass es den Kunden nicht gibt, sondern eine Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen. Markus Schmermund: Bei allen Akteuren dieses Ökosystems Verständnis für die Belange der Partner zu wecken, dauert. Hilfreich wäre ein Logistikplaner in der Stadtverwaltung. Diese Position hatten wir bei einem Projekt in Hamburg gefordert – leider wurde sie abgelehnt. Kai-Oliver Schocke: Ich kann nur bestätigen, dass die Auseinandersetzung mit dem Apparat „öffentliche Hand“ schwierig ist. Aber als Logistiker zu sagen „das System ist falsch, der Prozess muss neu aufgesetzt werden“ führt nicht zum Ziel. Denn das System Stadt ist historisch gewachsen. Trotz allem, seitens der Stadtverwaltung darf man sich den aktuellen Problemen gegenüber nicht verschließen. Markus Schmermund: Darüber hinaus muss aber auch der Einzelhandel den Mut aufbringen, sich Neuem gegenüber zu öffnen. In Winterhude haben wir im Rahmen eines Projekts rund um den Mühlenkamp – einem Quartier mit einer Fläche von rund 1,5 Quadratkilometern – versucht, die verschiedenen Partner abzuholen. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung sollte für die 50 in das Projekt involvierten Einzelhändler ein ERP-System aufgesetzt werden. Dies lehnten die Unternehmen ab: Ich teile doch meine Daten nicht mit anderen, lautete deren Credo. Den Vorteil, den ein zentrales Lager für dieses Quartier gebracht hätte, wurde vom Tisch gewischt – und dies wäre nur ein positiver Aspekt der Zusammenarbeit gewesen. Uns Logistikern ist die Bedeutung der Software für erfolgreiche Projektrealisierungen bewusst. Die letzte Meile wird erst dann smart, wenn wir die zur Verfügung stehenden Daten in Echtzeit nutzen. Aber zurück zum Projekt in Winterhude. Als die öffentliche Hand von den Aussagen der Einzelhändler erfuhr, zog sie sich aus dem Projekt zurück. Wir müssen es also schaffen, alle Beteiligten des Ökosystems urbane Logistik die Vorteile einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu vermitteln. Christian Jacobi: Es bedarf des Mutes, intelligente und zukunftsweisende Lösungen in der Praxis auszuprobieren – damit meine ich nicht nur die Entscheidungsträger auf politischer Ebene. Erste Erfolge zeichnen sich immerhin schon ab. KEP-Dienstleister setzen gemeinsam Lösungen um, bündeln zum Beispiel in Mikro- Depots Sendungen, um diese dann mit Lastenrädern oder Elektrofahrzeugen auszuliefern; ob ins Ladengeschäft oder nach Hause, in den Kofferraum des eigenen Pkws oder an den Arbeitsplatz. Kai-Oliver Schocke: Den Mut sich auf Neues einzulassen, haben wir in Deutschland teilweise verloren. Das hat sicherlich ein Stück weit mit der Reglementierungswut in unserem Land zu tun. So musste sich UPS in Frankfurt mit Vertretern von zwölf Ämtern auseinandersetzen, um die Genehmigung zu bekommen, einen Besuchen Sie uns! 36. Dt. Logistik-Kongress, Berlin 23. - 25. Oktober 2019 MANCHE DENKEN, SORTIERTECHNIK SEI KOMPLIZIERT. WIR DENKEN ANDERS. Wir kennen die besonderen Herausforderungen des täglichen Warenverkehrs. Daher haben wir mit der neuen Familie der BG Sorter innovative und hocheffiziente Sortieranlagen entwickelt, die sich modular an den jeweiligen Aufstellungsort und Bedarf anpassen lassen, intuitiv zu bedienen und für die Wartung leicht zugänglich sind. Sie sortieren Stückgüter unterschiedlichster Größe zuverlässig, effizient und besonders geräuscharm – auch bei hohem Durchsatz. Weitere Informationen unter www.beumer.com