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f+h fördern und heben 11/2022

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f+h fördern und heben 11/2022

RUBRIZIERUNGSEBENE

RUBRIZIERUNGSEBENE PRODUKTIONSINTEGRIERTEN MATERIALFLUSS AUF HÖHERES NIVEAU HEBEN GRANULARER WARENTRANSPORT MIT NEUARTIGEM MINIATUR-LOW-COST-FTF „SCOOTY“ – TEIL II Im Fokus des ersten Teils (siehe f+h 10/2022) unserer Serie stand der prinzipielle Aufbau des am Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT) der Universität Stuttgart entwickelten Fahrerlosen Transportfahrzeugs „Scooty“. Die abschließende Veröffentlichung beschäftigt sich unter anderem mit der optischen Spurführung des Fahrzeugs und dessen Potenzialen. 16 f+h 2022/10 2022/11 www.foerdern-und-heben.de

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Im Sinne einer maximal granularen Lösung für den Warentransport müssen Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) ideal einem Standardtyp entsprechen, der kostengünstig als Gleichteil in großer Anzahl zur Verfügung steht und somit eine hohe Redundanz durch Austauschbarkeit bietet. Jedoch erfordern manche Transportaufgaben andere, spezialisierte FTF, vor allem hinsichtlich der Größe und des Gewichts der umzuschlagenden Güter. Die in „Scooty“ eingesetzte Steuerungsstruktur ermöglicht auf der Softwareebene auch eben diese Flexibilität. Statt wie bisher üblich für jeden FTF-Typ ein eigenes Fahrzeugmodell inklusive Regelung aufzustellen, nähert sich die Lösung einem universellen Modell an, basierend auf einem im Jahr 2020 veröffentlichten Konzeptpapier [1]. Das darin vorgestellte mathematische Modell beschreibt die koordinierte Bewegung eines Fahrzeugs mit drei voneinander unabhängigen, einheitlichen Steuergrößen, den Omni-Kurven- Parametern (OKP). Diese erfassen unterschiedliche Fahrwerksklassen unter Berücksichtigung der jeweiligen Freiheitsgrade und bauen mit intuitiven Steuergrößen schrittweise darauf auf. So brauchen schienengeführte Fahrzeuge (Grad 1) nur die „nominelle Geschwindigkeit“ υ n zwischen -100 und +100 Prozent, wie beim Trafo einer Modelleisenbahn. Bei Linienbeweglichkeit (Grad 2) kommt zu dieser noch die „nominelle Krümmung“ κ n im Bereich -2,0 bis +2,0 hinzu, vergleichbar mit einem Lenkrad, welches bis zum Drehen auf der Stelle eingeschlagen werden kann. Bis hierhin ist das Konzept einfach intuitiv zugänglich und bleibt daher auch für flächenbewegliche Fahrwerke (Grad 3) prinzipiell DIE IN „SCOOTY“ EINGESETZTE STEUERUNGSSTRUKTUR NÄHERT SICH EINEM UNIVERSELLEN MODELL AN gleich. Hier kommt nur ein „Schwimmwinkel“ β hinzu, der eine Fahrt mit beliebigem Winkelversatz erlaubt (Bild 04). Die intuitive Bewegung geschieht also nur zum Beispiel mit einem um 45° zur eigentlichen Ausrichtung verdrehten Fahrzeug, wobei aber stets fließende Übergänge möglich sind. PRAGMATISCHER ANSATZ FÜR DIE ENERGIEVERSORGUNG Obwohl die Kombination mit dem intelligenten Hallenboden (siehe hierzu Teil I) prinzipiell eine drahtlose Energieversorgung ermöglicht, beinhaltet „Scooty“ auch einen kleinen Lithium- Ionen-Akku. Im Sinne einer kostengünstigen Lösung kommt ein standardisierter, international verfügbarer Schnellwechsel-Akku aus dem Power-Tools-Segment zum Einsatz. Auch beim Ladekonzept wurden pragmatische, menschzentrierte Ansätze verfolgt und auf Automatisierung verzichtet. Das Kalkül ist, dass wenn gelegentlich ohnehin Ware von einer Person zur manuellen Verarbeitung auf- oder abgegeben wird, sich auch ein notwendiger Akkuwechsel signalisieren lässt. Mit einfachen Handgriffen einen neuen Akku einzuschieben und den alten aufs Ladegerät zu setzen, ermöglicht eine Weiterfahrt binnen weniger Sekunden und bedeutet nur geringen Zusatzaufwand für das Personal des Anlagenbetreibers. Im Vergleich zu automati- 04 Omni-Kurven-Parameter sierten Lade- oder Wechselstationen kann sich dies schnell lohnen, da diese nur mit hohem technischen Aufwand eine zum Menschen vergleichbare Flexibilität erreichen. Je nach Einsatzszenario, wenn Mensch-Maschine-Kollaboration weniger im Fokus steht, kann der Vergleich anders ausfallen, weshalb sich die Konstruktion hinsichtlich der Energieversorgung flexibel anpassen lässt. DYNAMISCHE SPURFÜHRUNG DURCH AKTIVE OPTISCHE LEUCHTSPUR Die im Teil I erwähnten technischen Grenzen der Skalierung auf viele Fahrzeuge liegen mitunter am gemeinsam genutzten Funkspektrum (zum Beispiel WLAN oder 5G), das somit eine geteilte Ressource ist und die Kommunikation bei vielen Fahrzeugen begrenzt. Dies trifft vor allem dann zu, wenn es um den Austausch von Echtzeit-Regelungsdaten geht und Zuverlässigkeit, niedrige Latenz und gegebenenfalls hoher Durchsatz gefordert werden. Ein Ausweg besteht darin, solche Kanäle weitgehend zu vermeiden und stattdessen lokal begrenzte, unabhängige Kanäle zu schaffen. Hier bietet der intelligente Hallenboden als Plattform neue Möglichkeiten für Lösungsansätze. Erstens können die dynamisch ansteuerbaren LED-Streifen als optische Leitlinien für die FTF dienen (Bild 05). Diese erlauben schnelle Wegänderungen bei Hindernissen, Umplanung der Transportroute, oder um zum Beispiel Stau an Kreuzungen zu vermeiden – im Rahmen des rechtwinkligen Plattenrasters als Wegenetz. Darüber hinaus erlaubt die aktive Beleuchtung eine robustere Erkennung gegenüber klassisch kontrastbasierten optischen Spuren, die aufwändig ausgeleuchtet werden müssen und fehleranfällig sind gegenüber Schmutz sowie anderen Bodenmarkierungen. Ein Vorteil an einer optischen Spurführung besteht darin, dass für Außenstehende sofort erkennbar ist, wohin ein FTF weiterfahren wird. Um hingegen nicht den ganzen Hallenboden mit www.foerdern-und-heben.de f+h 2022/11 17