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f+h fördern und heben 8/2025

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IMPULSE01COBOTS

IMPULSE01COBOTS ERFORDERN NEUE SICHERHEITSKONZEPTEIM AUTOMATISIERTEN MATERIALFLUSSVERÄNDERTEN RISIKENBEGEGNEN020301+02 Produktionseinrichtungen bei A-Safe in Großbritannien mitPräzisions-Bearbeitungszentren und spezieller Rotationsgussmaschine03 Ohne physische Barrieren kann aus einem kleinen Fehltritt schnellein folgenschwerer Unfall werdenCobots heben schwere Lasten und arbeitenpausenlos. Sie folgen programmierten Wegenund reagieren ausschließlich auf ihre Sensorik.Menschen verhalten sich jedoch unvorhersehbar,bleiben spontan stehen oder ändern ihre Route.Diese Diskrepanz birgt neue Gefahrenpotenziale.Farbmarkierungen und Warnschilder reichennicht mehr aus. Unternehmen müssen ihreRisikoprävention an das Innovationstempoanpassen.Man hört ihn, bevor man ihn sieht. Ein autonomer mobilerRoboter fährt nur wenige Zentimeter an einemMitarbeiter vorbei. So sieht moderne Automatisierungin Lager und Produktion heute aus. Doch hinterdiesem Moment steht eine Frage, die sich kein Unternehmenleisten kann, zu ignorieren: Wie sicher ist der Mensch in derWarnweste?Mit jedem weiteren autonomen Roboter in der ProduktionsundLogistikhalle verliert das bisherige Sicherheitskonzept anGültigkeit. Geschwindigkeit und Präzision nehmen zu, doch zugleichverändern sich die Risiken. Unternehmen, die sich dieserEntwicklung nicht anpassen, riskieren, von der eigenen Technologieüberholt zu werden.COBOTS ARBEITEN SCHNELL – DOCH WERSORGT FÜR DEN PERSONENSCHUTZ?Ein jährliches Wachstum von 18 Prozent bei kollaborativen Robotern(Cobots) zeugt von technologischem Fortschritt [1] Maschinenarbeiten rund um die Uhr, heben Lasten, die kein Menschtragen könnte, und benötigen keine Pausen. Der Mensch hingegenhat physische und kognitive Grenzen. Studien zeigen: In automatisiertenLagerumgebungen mit Robotereinsatz steigt dieZahl schwerer Arbeitsunfälle um 28 Prozent [2].Der Mensch ist der kritische Faktor. Mitarbeiter reagieren situativ,bleiben unerwartet stehen, um etwas aufzuheben oder sichetwas zu notieren – sie verhalten sich dabei unvorhersehbar. Roboterfolgen dagegen vorgegebenen Routen und reagieren nichtauf das, was außerhalb ihrer Sensorik geschieht. Während Menschenflexibel agieren, wiederholen Roboter lediglich ihre programmiertenHandlungen. Diese Diskrepanz birgt neue Gefahrenpotenzialeam Arbeitsplatz. Sicherheitskonzepte müssen sichalso weiterentwickeln. Farbmarkierungen und laminierte Aushängereichen nicht mehr aus. Gefragt sind physische Barrieren,dynamische Risikobewertungen und Warnsysteme mit prädikti-30 f+h 2025/08 www.foerdern-und-heben.de

IMPULSEver Bewegungsanalyse. Ohne diese Maßnahmen kann aus einemkleinen Fehltritt schnell ein folgenschwerer Unfall werden.SICHERHEITSKULTUR STATTTECHNIKGLÄUBIGKEITDie verbreitete Annahme, „neu = sicher“, ist trügerisch. Führungskräftekonzentrieren sich oft stärker auf Taktzeiten als aufKollisionsrisiken. Dabei gilt: Ein „intelligentes“ System berechnet– es denkt nicht. Im Störfall entscheidet der Algorithmus nichtnach gesundem Menschenverstand. Die Verantwortung bleibtmenschlich. Moderne Risikoprävention ist datenbasiert, doch ihreUmsetzung hängt von der Unternehmensführung ab.Früher bedeutete Sicherheit persönliche Schutzausrüstung(PSA), Warnschilder, Bodenmarkierungen und ein Handbuch, dasmeistens nur zur Einarbeitung gelesen wurde. Heute sind LagerundProduktionshallen mit Industrial-Internet-of-Things-(IIoT)-Technologien ausgestattet, die Tausende Datensätze pro Tag liefern.Doch Daten allein führen noch nicht zu Erkenntnisgewinn.SICHERHEIT IST EINPRODUKTIVITÄTSFAKTORErst wenn diese Informationen in Konzepte und Prozesse einfließen,entsteht echter Nutzen. Die Gestaltung von Lager- und Produktionshallenmuss sich stärker an den tatsächlichen Bewegungender Menschen orientieren als den theoretischen Wegen.Eine Sicherheitsbarriere war früher beispielsweise ein mechanischesSicherheitselement. Heute liefert sie als smarte BarriereEntscheidungsgrundlagen: Wird in einem Bereich regelmäßig ein„Beinaheunfall“ registriert, liegt kein technischer Defekt vor, sondernein prozessbedingter Schwachpunkt. Digitale Zwillinge derLagerumgebung können solche Muster frühzeitig erkennen. Ausreaktiver wird präventive Sicherheit.Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Unternehmensleitungtatsächlich in Systeme investiert, die Daten liefern und entsprechenddarauf reagieren. Das bedeutet, dass Sicherheitstechnologiendieselbe Priorität wie Investitionen in die Produktivität haben.Eine Förderanlage wird aufgerüstet, weil der Durchsatzwichtig ist. Ein Sicherheitssystem wird zurückgestellt, weil derReturn on Investment (ROI) nur indirekt erkennbar ist. Die eigentlicheGefahr liegt nicht in zu schnell arbeitenden Maschinen,sondern in zu langsam agierenden Entscheidungsträgern.SICHERHEIT IST AUCH EINE FRAGE DERWAHRNEHMUNGDer Vormarsch von Automatisierung und Robotik ist unumkehrbar,und er wird von nun an nur noch zunehmen. Das ist keineBedrohung, sondern ein Signal. Bis Ende 2025 werden voraussichtlichvier Millionen Roboter installiert [3], viele davon vermutlichin Betrieben, deren Sicherheitskonzepte bislang nichtauf kollaborative Systeme ausgelegt sind. Die Produktivität treibtden Wandel voran – doch die damit verbundenen Risiken lassennicht lange auf sich warten.Statische Gefährdungsbeurteilungen haben ausgedient. Heutemüssen sie kontinuierlich angepasst werden: bei jeder Layoutänderung,jeder Prozessoptimierung und jedem System-Upgrade.Wearables, die Abstände messen, adaptive Barrieren sowie Analyseplattformen,die Layoutempfehlungen geben, sind längst Standder Technik. Während in der Vergangenheit auf Unfälle gewartetwurde, zielen die neuen Systeme darauf ab, sie zu verhindern.Das größte Potenzial dieser Systeme liegt jedoch in der Verhaltensanalyse.Wenn sich Roboter und Mensch täglich 40-mal in einemGang begegnen – ist das Layout dann gut geplant? Wenn Arbeitnehmereinen Abschnitt aufgrund toter Winkel meiden – wien Technologische Fortschritte schaffen neue Risiken: Mitjedem zusätzlichen Cobot steigen Tempo und Komplexität– klassische Sicherheitskonzepte reichen nicht mehr aus.n Der Mensch bleibt unberechenbar: UnvorhersehbaresVerhalten der Mitarbeiter erfordert dynamische Sicherheitslösungenwie vorausschauende Sensorik und adaptiveBarrieren.n Datenbasierte Prävention statt reaktivem Schutz:IIoT-Systeme und digitale Zwillinge ermöglichen präventiveMaßnahmen – sofern Unternehmen sie konsequentintegrieren.n Sicherheit ist Führungsaufgabe: Investitionen inSchutzsysteme müssen denselben Stellenwert erhaltenwie Effizienzsteigerungen – nur so entsteht eine echteSicherheitskultur.können Beleuchtungs- oder Kamerasysteme daran etwas ändern?Die Lösung: Störfaktoren erkennen und das menschlicheVerhalten entsprechend anpassen, denn Maschinen ändern ihrVerhalten nicht. Sicherheit darf kein isolierter Budgetposten bleiben.Sie ist ein Produktivitätsfaktor. Dieser Perspektivwechselmuss in der Unternehmensleitung beginnen. Nur wenn Risikominimierungebenso wie Effizienz bewertet wird, entsteht eine Kulturder Verantwortung.RISIKOPRÄVENTION MUSS MITINNOVATIONSTEMPO MITHALTENVerantwortliche in Produktion und Lager müssen den Fokus aufdas komplette Umfeld legen, in dem Mensch und Maschine interagieren.Sensorik, Barrieren und regelmäßige Audits machen diesesUmfeld für Menschen kalkulierbar. Die Menschen wiederummachen das System anpassungs- und leistungsfähig.Eine ordnungsgemäß durchgeführte Risikominimierung beschleunigendie Abläufe in Lager und Produktion, nicht andersherum.Je schneller sich dieses Denken durchsetzt, desto seltenerwerden wir Schlagzeilen über Unfälle lesen, die hätten verhindertwerden können. Unfälle entstehen nicht durch Maschinen, sonderndurch mangelhafte Planung.Unternehmen sollten nicht auf Zwischenfälle warten, um bekannteGefahren zu bestätigen. Eine proaktive Risikobewertungist der entscheidende Faktor. Eine Neubewertung, zeitnahe Auditierungund sofortige Modernisierung sind erforderlich. Die Mitarbeitersind diese Investition wert. Und die Zukunft des Unternehmenshängt davon ab.Quellenangaben:[1] https://www.grandviewresearch.com/industry-analysis/collaborative-robots-market,abgerufen am 8. Oktober 2025[2] https://thesoc.org/wp-content/uploads/sites/342/The-Injury-Machine_How-Amazons-Production-System-Hurts-Workers-1.pdf, abgerufen am 8.Oktober 2025[3] https://www.g2.com/articles/warehouse-automation-statistics, abgerufenam 8. Oktober 2025Autor: James Smith, Co-Chief Executive Officer (CEO) bei A-Safe, Elland, GroßbritannienFotos: A-Safewww.asafe.comAUF EINEN BLICKwww.foerdern-und-heben.de f+h 2025/08 31