Aufrufe
vor 3 Wochen

f+h fördern und heben 8/2025

f+h fördern und heben 8/2025

PERSPEKTIVENKOLLABORATIVES CASE-PICKING MIT AMRDIE ZUKUNFT DER AUFTRAGS-ABWICKLUNG GESTALTENDer Einzelhandel steht vor einem Dilemma:Kunden erwarten immer kürzere Lieferzeiten,während der Kostendruck stetig steigt. Hinzukommt der anhaltende Personalmangel in derLogistik, der klassische Lösungsansätzezunehmend erschwert. Toyota MaterialHandling (TMH) entwickelt daher einekollaborative Case-Picking-Lösung, dieautonome mobile Roboter (AMR) gezielt mitKommissionierern und der SteuerungssoftwareT-One verbindet. Ziel ist es, den Durchsatz zuerhöhen, die Arbeitsergonomie zu verbessernund den Return on Investment (ROI) durch eineoptimierte Prozesskette zu steigern – nicht nurbeim eigentlichen Pickprozess.Die Auftragsabwicklung gleicht im Handel einem Wettlaufgegen steigende Erwartungen: kürzere Lieferzeiten,häufige Werbeaktionen mit unvorhersehbaren Spitzen,volatile Auftragsprofile und zu wenig Personal setzen dieUnternehmen massiv unter Druck.DIE GRENZEN KLASSISCHER ANSÄTZEBisherige Optimierungen stoßen an ihre Grenzen: VerbesserteArtikelplatzierung, engeres Batch-Building und der Einsatz vonHorizontal-Kommissionierern mit langen Gabelzinken haben dieklassischen Mann-zur-Ware-Prozesse bereits ausgereizt.Doch drei zentrale Herausforderungen bleiben ungelöst: überflüssigeWegstrecken in der Kommissionierung, unsynchronisierteMaterialflüsse und die eingeschränkte Möglichkeit für Mitarbeiter,ihr Fachwissen und ihre Qualitätskontrolle einzubringen.Genau hier setzt das kollaborative Case-Picking an.WAS „KOLLABORATIVES CASE-PICKING“IN DER PRAXIS BEDEUTETDas Konzept von Toyota basiert auf dynamischen Zonen, die sichflexibel an Auftragslage und Personaleinsatz anpassen. Im Unterschiedzu stationären Pickrobotern bewegen sich die AMR freidurchs Lager und transportieren dabei mehrere Aufträge gleichzeitig.Mitarbeiter werden in Echtzeit den passenden Zonen zugewiesen.Beispiel: Nähert sich ein AMR einem Lagerplatz, prüft das Systemautomatisch, welcher verfügbare Mitarbeiter in der Nähe ist.Dieser erhält eine Aufgabe über sein Wearable oder eine Benutzeroberfläche,entnimmt den Artikel, bestätigt die Aktion und bekommtdirekt den nächsten Auftrag.So lassen sich lange Wege und Wartezeiten systematisch vermeiden.Die Roboter übernehmen alle zeitaufwändigen Transporte,während die Mitarbeiter schnelle und präzise Entscheidungenbeim Kommissionieren treffen. Das Ergebnis ist ein orchestrierterProzess mit höherem Durchsatz – ohne Änderungenam Lagerlayout.32 f+h 2025/08 www.foerdern-und-heben.de

PERSPEKTIVENTECHNOLOGISCHE VORAUSSETZUNGENDrei Entwicklungen ermöglichen die Umsetzung im Handel: Navigation & Wahrnehmung: Fortschritte bei 3D-Visual-Slamund semantischem Verständnis sorgen für sichere Orientierungder Roboter – auch in komplexen, dynamischen Umgebungen. Sicherheit & Interaktion: Verbesserte Sicherheitsfunktionenschaffen die Voraussetzungen für ein vorhersehbares Verhaltenim Zusammenspiel mit Menschen, was die Akzeptanz erhöht. Geschäftsanforderungen: Der wachsende Druck, Leistung ohnebauliche Veränderungen zu steigern, macht flexible Softwarelösungenattraktiv.DER BUSINESS CASE – REALISTISCH BETRACHTETViele Einzelhändler erreichen heute bereits 170 bis 180 Orderlinespro Stunde und Mitarbeiter durch effizientes Batching undmoderne Kommissioniertechnik. Hier setzt der Gabel-AMR vonTMH an, indem er Lücken schließt: weniger unnötige Wege, synchronisierteAnkünfte an Pickplätzen sowie Automatisierung vonVor- und Nacharbeiten wie Palettenwechsel oder Leerpalettenhandling.Da der Gabel-AMR Paletten selbstständig aufnehmen, absetzenund stapeln kann, reicht der Nutzen über die Kommissionierunghinaus. Entscheidender Vorteil ist weniger eine drastischeLeistungssteigerung, sondern vielmehr ein gleichmäßiger undplanbarer Betrieb mit weniger Leerlauf, geringeren Konflikten imLagerverkehr und konstanter Schichtleistung.HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZEToyota passte einen erprobten Palettenstapler zur AMR-Plattforman, um alle Bewegungen im Handelslager abzudecken. Dennletztlich wird ein AMR durch sein Verhalten definiert, nicht durchdie Bauform.Herausforderungen bleiben jedoch bestehen: IT-Integration,Abstimmung mit Lagerverwaltungssystemen und die Schulungder Mitarbeiter verursachen Aufwand und müssen in Projektenrealistisch eingeplant werden.SOFTWARE ALS VERBINDENDES ELEMENTT-One, die Automatisierungssoftware von Toyota Industries Corporation,verbindet Lagerverwaltungssysteme und verschiedeneGerätetypen. Ihre modulare, flussbasierte Architektur ermöglichtIngenieuren, Business-Logik ohne projektspezifischen Code zukonfigurieren – inklusive HMI, Transportmanagement, Lookup-Tabellen und Dashboards.WAS ANWENDER VON „SWARM-AUTO-MATION-PICKING“ ERWARTEN KÖNNENZu den Merkmalen der kollaborativenCase-Picking-Lösung gehören: Schnellere Inbetriebnahme durch Plug-and-Play undwiederverwendbare Module. Messbare Verbesserungen durch optimierte Routenund weniger Leerlauf. Einsparungen über den Pickprozess hinaus durchAutomatisierung von Vor- und Nacharbeiten. Zukunftssicherheit durch Skalierung und ein As-a-Service-Modellohne projektspezifischen Code.Der CE-zertifizierteKommissionier-AMR wurde auf derLogimat 2025präsentiertAufgrund der Integration des AMR-Navigationsstacks stehen erprobteModule und eine einheitliche Rest-API zur Verfügung. Dasverkürzt Projektlaufzeiten, erleichtert Upgrades und schafft einestabile Basis für gemischte AMR-Flotten.Die Akzeptanz der Mitarbeiter ist entscheidend. EindeutigeAnweisungen über HMI und Wearables verringern die mentaleBelastung, während vorhersehbares Geräteverhalten Sicherheitvermittelt. CE-zertifizierte Sicherheitsfunktionen und feste Verkehrsregelnsorgen dafür, dass Mensch und Roboter dieselbenLagergänge nutzen können. Gleichzeitig reduzieren kürzere Wegeund klar definierte Aufgaben die körperliche Belastung.VOM PROTOTYPEN ZUM LIVE-BETRIEBDer Kommissionier-AMR ist CE-zertifiziert und wurde auf derLogimat 2025 live vorgestellt – ein wichtiger Schritt zur Marktreife.Nun gilt es, im Echtbetrieb Ergonomie, Zusatzfunktionen undServicemodelle zu prüfen. Entscheidend sind messbare Kennzahlenwie Orderlines pro Stunde, Wegstrecke pro Pick, Leerlaufzeit,Fehlerquote und Hochlaufzeit neuer Standorte.AUSBLICKZukünftig wird die Lösung unter dem Namen „Swarm-Automation-Picking“vertrieben – angelehnt an das Schwarmverhalten inder Natur. Sie beschreibt die intelligente Vernetzung von Menschen,Wearables, Geräten, Lagerlayout und Waren.Toyota Material Handling sucht derzeit Pilotkunden in Europa.Mit einem CE-zertifizierten Gerät, einer starken Softwarebasisund einer klaren Roadmap ist das kollaborative Case-Picking bereitfür den Schritt vom Prototyp in den realen Betrieb. WBFotos: Toyota Material Handlingwww.toyota-forklifts.dewww.foerdern-und-heben.de f+h 2025/08 33